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Erkämpft und verhasst - Die Geschichte des Datenschutzes

23 min • 25 juli 2025

Datenschutz - deutsche Erfindung oder digitale Bremse? Von Hessens Pioniergesetz 1970 über den Volkszählungs-Protest bis zur DSGVO und dem Einsatz von Max Schrems gegen Facebook: Eine Geschichte zwischen Grundrechten, Überwachungssorgen und dem Ruf nach mehr digitaler Freiheit. Autor: Stefan Foag. (BR 2025)

Credits

Autor: Stefan Foag

Regie: Sabine Kienhöfer

Sprecher: Christian Baumann, Peter Veit

Technik: Wolfgang Lösch

Redaktion: Yvonne Maier

Im Interview:

  •        Prof. Dr. Kai v. Lewinski, Universität Passau, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht
  •        Hartmut Bäumer, ehemaliger Landtagsabgeordneter (Bündnis 90/Die Grünen)
  •        Leopold Beer, Research Assistant bei Open Search Foundation e.V.

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Linktipps:

Geschichte der Privatsphäre - Menschliches Grundbedürfnis oder Konstrukt?

Das Recht auf Widerstand - Wer sich nicht wehrt

Überwachung, Spitzel, Zensur - Das "System Metternich"

 

Literatur:

-       Von Lewinski, Kai (2021) „Zur Geschichte von Privatsphäre und Datenschutz – eine rechtshistorische Perspektive“ – spannende Zusammenfassung mit juristischer Brille  

-       M. Friedewald, J. Lamla, and A. Roßnagel (2017) „Informationelle Selbstbestimmung im digitalen Wandel“ – für tiefgründige Einblicke in die Rechtsdebatten

 

Weiterführende Links:

Internetseite der Initiative „Open Web Search EU“

https://openwebsearch.eu/

Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Radiowissen
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

Sprecher

Im Fernsehen läuft Werbung. Fragebögen werden vorbereitet; teilweise kommen Mitarbeiter persönlich an die Haustür und überprüfen die Aussagen. Routine, wie in den anderen Volkszählungen auch. Doch diesmal sagen viele: Was geht das eigentlich alles den Staat an?

 

Zsp 6 Datenschutz

Die einzelnen Daten sind gar nicht so problematisch, aber die die Verknüpfung dann eben auch der persönlichen Daten mit diesen fachlichen Fragen. Das war damals das Problem.

Sprecher

Erklärt Hartmut Bäumer. Die Sorge: Staatliche Behörden könnten nicht nur herausfinden, wie viele Menschen etwa mit dem Zug zur Arbeit fahren, sondern den Arbeitsweg des Einzelnen unter seinem Namen. Grünen-Politiker wie er empfehlen den Leuten damals, sich nicht zu beteiligen. Ohne direkt zum Boykott aufzurufen – das wäre strafbar:

 

Zsp 7 Datenschutz                           

Aber es war natürlich informell schon ein Aufruf zu boykottieren, das ist richtig, aber man muss ja nicht unbedingt, gerade wenn man Jurist ist, ins sozusagen ins offene Messer laufen.

Sprecher

Denn das Ausfüllen des Fragebogens ist Pflicht - ein Gesetz. Im ganzen Land kämpfen Aktivisten gegen die Volkszählung. ((Ein Bericht des politischen Fernsehmagazins Panorama in der ARD beginnt mit fünf Personen mit schwarzer Jacke, Hut und Sonnenbrille. Sie betreten einen Waschsalon in Hamburg. Mit Klemmbrettern gehen sie auf die dort sitzenden Menschen zu:

 

Zsp 8 Datenschutz           

„Haben Sie ein Klo? Oder wo duschen Sie? PKW? Marke, Name, Kennzeichen? Auf wessen Kosten? Alter, Name, Geschlecht, Telefon? Arbeit oder entlassen?“

Die Fragen klingen absurd, aber sie stammen, wenn auch ein wenig verfremdet, aus den Fragebögen zur Volkszählung 83.))

 

Sprecher

Die Bundesregierung aus Union und FDP hat kein Verständnis für den Protest.

 

((Zsp 9 Datenschutz        

Wir brauchen diese Angaben für den Bürger. Die Zahl seiner Arbeitsstätten, die Anzahl der Berufe. Wir müssen wissen, wer heizt mit Holz, Kohle, Gas! Wo geschieht das? Wie viele Wohneinheiten? Der Wohnungsbauminister, die ganze Bauwirtschaft ist darauf angewiesen, die ganzen Unterlagen zu erhalten, die für die Planung der nächsten zehn Jahre notwendig ist.))

 

Sprecher

Der damalige Innenminister, Friedrich Zimmermann von der CSU wirft den Aktivisten im Magazin „Der Spiegel“ darüber hinaus „eine Diffamierungskampagne“ vor und einen „Angriff auf das ganze System“. Straßen, Schulen, Sozialleistungen lassen sich ohne Daten schwer organisieren. Doch in den 1980ern blicken viele anders auf den Staat, sagt Hartmut Bäumer:

 

Zsp 10 Datenschutz    

Also man sah […] eher den bösen Staat und nicht den helfenden Sozialstaat, den es ja auch gibt.

 

Zsp 11 Datenschutz Computer-Atmo [nach Belieben einbauen und drunterlegen]

 

Sprecher

Zur allgemeinen Staatskepsis kommt damals noch etwas dazu: Sorgen vor der Technik. Der Panaroma-Beitrag zeigt den Computer-Raum der Hamburger Polizei: Bildschirme im Bierkasten-Größe; in Schränken laufen Bänder an Filmrollen: 

 

Zsp 12 Datenschutz

Die technischen Möglichkeiten moderner Computer sind kaum zu überschätzen. […] Viele Millionen Einzeldaten werden auf diesen Computern gespeichert. Die Polizei lässt hier arbeiten, der Verfassungsschutz und das Finanzamt …

 

Sprecher

Auf digitale Daten können Behörden schneller zugreifen und sie auch mit anderen Informationen verknüpfen, so die Sorge …

 

Zsp 13 Datenschutz

Und wenn da dann entsprechende Leute an der Macht sind, können sie diese Daten natürlich durch Verknüpfung auch gegen die einzelne Person verwenden.

 

Sprecher

Hartmut Bäumer und andere denken damals dabei zwangsläufig an die jüngere Geschichte:

 

Zsp 14 Datenschutz

Hitler ist per Wahl an die Macht gekommen und hat dann alles geändert.

Sprecher

1933 und 1939 fanden auch Volkszählungen statt. Wie viel der damals erhobenen Daten für die spätere Judenverfolgung genutzt wurde, ist unklar. Fakt ist: Der millionenfache Mord wurde auch dadurch möglich, dass ein Bürokraten-Apparat sensible Daten systematisch erfasst hatte:

 

Zsp 15 Datenschutz

Und diese Überlegung, wir alle wissen, wie ein totalitäres System funktioniert. Und wenn wir jetzt als Zugabe noch den Computer dazugeben, heijeijei ich glaube, das war das Gefühl.

 

Sprecher

Sagt der Jurist Kai von Lewinski. Er ist Professor an der Universität Passau und hat sich mit der Geschichte des Datenschutzes beschäftigt. Er sagt: Zwar wurde auch in anderen Ländern, vor allem in den USA, über Datenschutz diskutiert. Aber Proteste in dem Ausmaß wie in der Bundesrepublik Deutschland gab es in anderen Ländern nicht. ((Dass ausgerechnet hier die Debatte so hochkochte, hält Lewinski für …

 

Zsp 16 Datenschutz

Keine geschichtliche Notwendigkeit oder auch kein deutscher Sonderweg.)) Aber durch die Geschichte Erfahrung mit dem Nationalsozialismus, vielleicht auch: Wir neigen ja so ein bisschen zu Bedenkenträgerei. Das war dann die Mischung, die dazu geführt hat, dass es sich so entwickelt hat, wie es sich entwickelt hat.

 

Sprecher

Zu dieser Entwicklung gehört auch, dass das erste Datenschutz-Gesetz weltweit aus der BRD kommt. Und zwar schon deutlich vor den Protesten zur Volkszählung. In den 1960ern entstehen die ersten Computer. Intellektuelle warnen, dass die neue Technik fürs Sammeln von Daten missbraucht werden könnte. Darüber schreibt der FAZ-Journalist Hanno Kühnert 1969 einen Kommentar. Warnt vor den „Tücken der Computer“ und ihre Gefahr für die Privatsphäre. Ein entscheidender Startschuss für die

Auseinandersetzung.

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