Als Sohn des königlich-bayerischen Hofbauintendanten Andreas Gärtner sollte und wollte Friedrich in die Fußstapfen des Vaters treten. Wurde der Vater seinerzeit von Leo von Klenze aus seiner Stellung vertrieben, nahm Friedrich nun Rache und wollte seinerseits Leo von Klenze vom Hofe des Königs jagen. Autor: Martin Trauner (BR 2025)
Credits
Autor/in dieser Folge: Martin Trauner
Regie: Martin Trauner
Redaktion: Thomas Morawetz
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
ERZÄHLERIN
Endlich, nach beinahe 16 Jahren Planungs- und Bauzeit ist es soweit. - Jetzt, 1843, ist sie fertiggestellt: Die königliche Hof- und Staatsbibliothek in München.
ZITATOR (Architekturführer)
Dieser in den großartigsten Verhältnissen angelegte Bau wurde im italienischen-mittelalterlichen Style ausgeführt. -
ERZÄHLERIN
- schreibt ein zeitgenössischer bautechnischer Führer -
ZITATOR (Architekturführer)
- In seinen ausgedehnten Räumlichkeiten umschließt das Gebäude die außerordentlich reiche, gegenwärtig 1.300.000 Bände zählende Staatsbibliothek.
MUSIK
1. ZUSPIELUNG (Greipl)
Da denkt man - riesengroß - da müssen alle Bücher der Welt hineinpassen -
ERZÄHLERIN
Sagt Egon Greipl, (ehemaliger) oberster Denkmalschützer in Bayern. -
2. ZUSPIELUNG (Greipl)
- und dann geht man hinein und sieht, da ist eine Menge Platz verschenkt worden für eine Treppe und solche repräsentative Sachen.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Eine Prachttreppe, die seinerzeit nur der König benutzen durfte. An ihr hat man bis zuletzt gearbeitet. 54 Stufen muss die Majestät überwinden, um aus dem dunklen Eingangsbereich in das Licht, zu den Büchern, zur Wissenschaft zu gelangen. - Obwohl der König in den letzten Jahren meist ein schwieriger Auftraggeber gewesen ist, ständig an den Plänen etwas ändert oder ändern lässt, die Treppe findet selbst der Architekt so schlecht nicht:
ZITATOR GÄRTNER
Für die Haupttreppe stehe ich gut, das ist die pompöseste die wenigstens in Deutschland existiert. Diese gefällt mir selbst.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Und das ist der Baumeister des 152 Meter langen und 24 Meter hohen Monumentalbaus: Friedrich von Gärtner. Die Bibliothek: sein erster Auftrag für König Ludwig I. - Vor 16 Jahren, 1827, ließ Ludwig den gar nicht mehr so jungen Architekten gewähren: Gärtner soll nun endlich sein erstes Gebäude überhaupt bauen. Und dann gleich ein so großes.
3. ZUSPIELUNG (Nerdinger)
Ein riesiger Bau. Und die besondere Pointe oder Gemeinheit könnte man auch sagen, liegt darin, dass er diesen Bau an der von Klenze geplanten Ludwigsstraße vorgesehen hat...
ERZÄHLERIN
- so Winfried Nerdinger, Architekturhistoriker aus München. - Die Ludwigsstraße, sie ist des Königs Lieblingskind, sie soll seine Prachtmeile werden...
4. ZUSPIELUNG (Nerdinger)
Klenze hat ja diese Straße komplett geplant, das war "seine Straße", er hat den ganzen südlichen Teil bereits mit Neubauten bestückt und jetzt mitten hinein in seine Straße, der größte Bau überhaupt bis dahin, die Staatsbibliothek, da bekommt ausgerechnet sein Konkurrent den Auftrag. Und das war sicherlich für Klenze ein Schlag.
MUSIKAKZENT
ERZÄHLERIN
Friedrich Gärtner und Leo Klenze, zwei Baumeister in königlichen Diensten - ein Berufsleben lang lauern sie wie Skylla und Charybdis, die beiden Ungeheuer, an der Meerenge von Messina. Und, um im mythologischen Bild zu bleiben, kein königlicher Auftrag soll an ihnen ungeschoren vorbei kommen.
5. ZUSPIELUNG (Nerdinger)
Die waren beide nicht von Pappe, um es mal salopp zu formulieren und haben mit allen Mitteln sich gegenseitig bekämpft und für ihre Karriere gekämpft.
ERZÄHLERIN
26 Jahre ist er alt, da wird der junge begabte Nachwuchsarchitekt Friedrich Gärtner Ludwig vorgestellt. Und wer bringt ihn zum Kronprinzen? Der 7 Jahre ältere Klenze. Der, ein protestantischer Preuße, ist schon seit einem Jahr in Diensten des Königshofs.
ZITATOR GÄRTNER
Dass dieser zum Faktotum geworden ist, ersah ich schon längst, den Grad aber ersah ich da näher.
6. ZUSPIELUNG (Nerdinger)
Als drittes muss man immer noch den König mit einbeziehen, genauer gesagt, den Kronprinzen, der beide letztlich wie Schachfiguren in seinem Spiel benutzt hat.
ZITATOR GÄRTNER
Ich sah nur zu deutlich, dass einem schlechten Schachspieler leicht eine Figur genommen und die andere dafür hingesetzt werden kann.
MUSIKAKZENT
ERZÄHLERIN
Über Gärtners Karriereleiter sind wir Sprosse um Sprosse relativ gut informiert. Denn mehr als 30 Jahre lang schreibt er Briefe, an Martin von Wagner. -
7. ZUSPIELUNG (Nerdinger)
Nun: der Martin von Wagner war eigentlich der Kunsthändler des Kronprinzen in Rom.
ERZÄHLERIN
Martin von Wagner ist der Freund von Friedrichs Vater, dem Hofbauintendanten Andreas Gärtner. Und auch wenn die Mutter Bedenken gegenüber Wagner äußert, Friedrich beschwichtigt:
ZITATOR GÄRTNER
Deine Warnung, gute Muttern über Wagner ist recht gut, allein sei versichert, sie war nicht nötig. So kenne ich meine Leute noch. Wagner ist ein guter, ernsthaft rechtschaffener Mann, allein nie für einen Freund geschaffen.
ERZÄHLERIN
Friedrich Gärtner und Wagner werden trotzdem Freunde, gute Freunde. Netter Nebeneffekt für Gärtner: Wagner hat einen sehr guten Draht zum Kronprinzen. - Gärtner macht in seinen Briefen aus seinem Herzen keine Mördergrube. Winfried Nerdinger:
8. ZUSPIELUNG (Nerdinger)
Ich glaube auch, dass man natürlich mit gewissen Abstrichen diesen Briefwechsel als ziemlich wichtige authentische Aussage nehmen kann, weil er sich da einem Freund geöffnet hat - Wir können da doch relativ tiefe Einblick in das Gefühlsleben Gärtners tun und in das Intrigenspiel bei Hofe.
ERZÄHLERIN
Über 100 Mal wird die Post von Gärtner die Zeiten überdauern, die Post von Wagner retour dagegen nicht. - Kennen gelernt haben sich die beiden in Rom. -
ZITATOR GÄRTNER
Rom ist nebenbei gesagt der herrlichste Ort, um einem als Mensch die besten Lebensregeln zu erteilen!
MUSIK
ERZÄHLERIN
Im Oktober 1814 kommt Gärtner nach Rom. Nach seinem Architekturstudium in München bei Carl von Fischer, nach Lehrjahren in Paris, zieht der 22-Jährige in die deutsche Künstlerkolonie. "Quartiere degli Infedeli", "Viertel der Abtrünnigen", nennen es die Römer, wegen der vielen deutschen Protestanten. Der Katholik Gärtner kennt bald alle Trattorien und Weinstuben rund um seine Wohnung in der Via Sistina, nahe der spanischen Treppe. Jetzt will er wieder lernen, dieses Mal aber das Leben:
MUSIK
ZITATOR GÄRTNER
Der Durst war groß, der Wein war gut und so wurde allgemeiner Jubel unter der Gesellschaft. Eine Gitarre, die uns begleitete, spielte bald ihren Saltarello, bald ihren Walzer...
ERZÄHLERIN
Martin von Wagner nimmt Friedrich in seine Obhut, im Auftrag von Andreas Gärtner, dessen Vater. Er zeigt ihm die mediterrane Lebensart, er bringt ihn in die Kreise der Rom-liebenden deutschen Künstler. Die feiern sich und "ihren" bayerischen Kronprinzen, den Kunstmäzen, am liebsten im Caffè Greco - keine zwei Minuten von der Wohnung Gärtners entfernt. Hier treffen sich auch die Mitglieder eines von Martin von Wagner initiierten Geheimbundes: "Nemesis" heißt er :
MUSIK
9. ZUSPIELUNG (Nerdinger)
Diese Künstler haben sich die Nemesianer genannt. - Die Nemesis als ihre Göttin, die dem einzelnen das Geschick zuweist, dem einen das Gute, dem anderen das schlechte. So etwas, was für Künstler ja ganz wichtig ist: Der eine steigt auf, der andere steigt ab...
ERZÄHLERIN
Nemesis gibt sich zunächst wankelmütige, was das Schicksal des jungen Friedrich betrifft. Der "Orlando furioso", wie ihn seine Freunde jetzt rufen, genießt zwar in Rom das süße Leben in vollen Zügen, ganz untätig ist er freilich nicht. Er zeichnet etliche antike Ruinen, fährt nach Pompeji und Sizilien, besteigt die Vulkane Italiens. Und er beteiligt sich - auf sanftes Drängen seines Vaters - am Wettbewerb zum Bau der Münchner Glyptothek. Mit Hilfe seines Vaters, der die Pläne ein wenig korrigiert und nachbessert, wird sein Entwurf vom Preisgericht als der für den Bau geeignetste befunden. Den Auftrag bekommt, allem zu Trotz, wie kann es anders sein, Leo Klenze.
MUSIK
ZITATOR GÄRTNER
Thermometer 5 Grad Beaumont -
Pluvianopolis am 12ten des 8. Regenmonats 1817 nach Christi Geburt -
Parameter (wie gewöhnlich): Regen, Hagel, Wind.
ERZÄHLERIN
Gärtner ist nach fast drei Jahren Sommer, Sonne, Kaktus wieder in München. In Pluvianopolis, der Regenstadt. Er schreibt an Wagner nach Rom:
ZITATOR GÄRTNER
Der ewigen Nemesis zum Gruße! Ohne Nachrichten aus Rom bin ich ein geschlagener Mensch. Oh große Nemesis! Was habe ich verschuldet, dass du gerade jetzt mich ins Exil geschickt, wo ich dickes Bier um 12 Uhr saufen muss.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Nemesis meint es tatsächlich nicht gut mit ihm. Nicht nur dickes Bier und saurer Wein schlagen ihm auf den Magen: In München, im Exil, findet er keine adäquate Anstellung, obwohl sein Vater immer noch königlich bayerischer Hofbauintendant ist, also de facto der oberste Baumeister. Und er würde so gerne in dessen Fußstapfen treten.
ZITATOR GÄRTNER
Es ist traurig, wenn man mehrere Jahre sich bemüht, um etwas zu lernen und am Ende wieder dort hingestellt ist, von wo man ausgegangen. Seit meiner Zurückkunft sitze ich da und lege die Hände in den Schoß.
ERZÄHLERIN
26 Jahre ist Gärtner mittlerweile. Er sehnt sich nach Rom. Hier im kalten Norden, in München: - "Ein Windloch". Die Mutter stirbt. Er fühlt sich dazu verpflichtet, die Familie finanziell zu unterstützen, lebt aber im Gegenteil vom Geld des Vaters. Und dann auch noch das:
ZITATOR GÄRTNER
Mit unverändertem Gemüte durchlas ich heute die Entlassung meines alten und würdigen Vaters von seinem treuen Dienste und dessen Erstattung durch Klenze mit einer vermehrten Besoldung von 3000 fl.
10. ZUSPIELUNG (Nerdinger)
Aus den Briefen, die er an seinen Freund Martin von Wagner schrieb, kommt ganz klar heraus, dass diese Verdrängung seines Vaters als Hofbauintendanten für die Familie sehr belastend war und in der Familie dann ein Hass auf Klenze aufgebaut worden ist.
ERZÄHLERIN:
Wobei man hinzufügen muss, dass sein Vater bei seiner Entlassung bereits 74 Jahre alt ist. Und obwohl Klenze ihm noch am selben Tag einen Job verschafft -
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