Sveriges mest populära poddar

Radiowissen

Indigene in Südamerika: "Wir sind seit 500 Jahren im Widerstand"

23 min • 18 juni 2025

Mit der Konquista Südamerikas begann auch die Geschichte des indigenen Widerstands. Doch die Ausgangspositionen und die Strategien konnten unterschiedlicher nicht sein. Zuerst gegen Besetzung, Sklaverei und Zwangsarbeit in den Minen. Heute gegen Landraub, Extraktivismus und manchmal ums pure Überleben. Autorin: Ulrike Prinz (BR 2025)

Credits

Autorin dieser Folge: Ulrike Prinz 
Regie: Irene Schuck
Es sprachen: Christian Baumann, Thomas Birnstiel, Silke v. Walkhoff,  Peter Veit
Technik: Lorenz Kersten
Redaktion: Thomas Morawetz

Eine besondere Empfehlung der Redaktion:

Atahualpa - Der letzte König der Inka

Das Gold der Inka weckte die Gier der spanischen Konquistadoren. Der Inkakönig Atahualpa konnte sich zunächst nicht vorstellen, wozu die Eindringlinge in sein Reich fähig waren. Von Frank Halbach

Interesse an Geschichte? Dann empfehlen wir:

ALLES GESCHICHTE - HISTORY VON RADIOWISSEN

Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Radiowissen
JETZT ENTDECKEN

Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ERZÄHLER:

Die Jahre der Präsidentschaft des rechtsextremen Jaír Bolsonaro von 2019 bis 2023 waren für Brasiliens Indigene harte Zeiten: Er erkannte keinen Zentimeter der Territorien an, die ihnen rechtlich zustehen und der Umweltminister nutzte die Gunst der Stunde der Corona-Pandemie, um die Vorschriften zu lockern und den Regenwald weiter abzuholzen. Während der Corona-Pandemie wurden den Indigenen Hilfsmittel und Krankentransporte verweigert und die Behörde, die eigentlich zu ihrem Schutz eingerichtet worden war, besetzte Bolsonaro mit einem Evangelikalen Missionar. Der wollte die in „freiwilliger Isolation“ lebenden Völker während der Pandemie kontaktieren. Was aufgrund fehlender Antikörper ihren sicheren Tod bedeutet hätte. In letzter Minute schritt das Bundesgericht ein und schützte ihr Leben.

MUSIK 1

"Toyos" 

ERZÄHLER:

Dennoch betrachten die Indigenen das Mandat Bolsonaros nur als eine weitere Etappe in ihrem Widerstandskampf, den sie seit über 500 Jahren führen.

MUSIK 2

"Who is Riley" - Aporia (Original Motion Picture Soundtrack) - Komponist und Ausführender: H. Scott Salinas - Länge: 0'43

ERZÄHLER:

Im Jahr 1542 befand sich eine Brigantine auf dem Rio Marañón flussabwärts. Sie war bemannt mit 57 Soldaten, bewaffnet mit Armbrüsten und Schießpulver. Sie stand unter Befehl von Francisco Orellana, der einen befahrbaren Weg zur Amazonasmündung suchte. Doch dafür brauchte er Proviant. Um ihren Hunger zu stillen, überfielen seine Männer die am Ufer liegenden Dörfer. Und während sich die Indigenen „in Luft auflösten“, versorgten sich die sogenannten „Entdecker“ mit Maniokbrot und allen Nahrungsmitteln, derer sie habhaft werden konnten.

MUSIK 3

"The Hunters" - Album: The Last of Us Original Score - Komponist: Gustavo Santaolalla - Länge: 0'30

ERZÄHLER:

Doch je breiter der Fluss wurde, umso größer wurden die Siedlungen der Indigenen, und sie begannen sich zu wehren. Etwa zwischen den Zuflüssen des Río Madeira und des Rio Tapajóz waren die Angriffe so stark, dass der Chronist der Reise, der Dominikanerpriester Gaspard de Carvajal, sich das nur durch die Autorität von „Amazonen“ erklären konnte. Am 24. Juni 1542 notiert Carvajal in seinem Bordtagebuch:

Musik 4

"Heaven #5 (Dost Thou Not Fear God)" - Album: The Phoenician Scheme (Original Score) - Komponist: Alexandre Desplat

ZITATOR:

„Ich möchte, dass Sie wissen, warum sich diese Indianer so sehr verteidigten. Sie sind nämlich Untergebene und Tributpflichtige der Amazonen, und nachdem sie von unserer Ankunft erfahren hatten, baten sie diese um Unterstützung und es kamen 10 oder 12, die wir sahen, sie kämpften allen voran als Anführerinnen so tapfer, dass die Indianer es nicht wagten, sich zur Flucht zu wenden; und jeden, der davonlaufen wollte, töteten sie vor unseren Augen mit Keulen.“

ERZÄHLER:

Die Frauen hätten so viel Ärger gemacht wie zehn Männer, behauptet Carvajal. Eine von ihnen hätte eine Handvoll Pfeile in eine der Brigantinen geschossen, dass sie wie ein Stachelschwein aussah.

Ob diese „Amazonen“, nach denen der größte Fluss der Erde benannt ist, tatsächlich existierten, weiß man nicht genau. Aber dass auch Frauen gegen die Kolonisatoren kämpften, war für die Historiker am spanischen Hof keine Neuheit.

MUSIK 5

"Toyos" 

ERZÄHLERIN:

Die Geschichte der Indigenen Südamerikas lässt sich als eine lange Abfolge unterschiedlicher Formen des Widerstands beschreiben. Denn die Reaktionen auf die „Eroberung“ waren ebenso vielfältig, wie die Kontaktsituationen selbst.

Während die spanischen Eroberer und Kolonisatoren mit roher Gewalt vorgingen, fiel die Antwort der Indigenen unterschiedlich aus. Wenn sie konnten, zogen sie sich in unzugängliche Gebiete zurück oder organisierten bewaffneten Widerstand. Manche verbündeten sich mit den Eindringlingen, um ihre traditionellen Erzfeinde loszuwerden. Und manche versuchten, Handel zu treiben.

Das Erstaunliche war, dass die Unterwerfung der großen amerikanischen Imperien der Maya in Mexiko und der Inka in Peru, vergleichsweise glatt über die Bühne gingen. Obwohl es auch dort Widerstand gegen die Eindringlinge gab.

Musik 6

"Inca Gold" aus: "Ethnic"

ERZÄHLER:

Gut dokumentiert ist die Geschichte des Aufstandes von Túpac Amaru, des letzten Inka-Herrschers im Jahr 1572. Sie endet blutig und traumatisch für die Hinterbliebenen und schrieb sich tief ins kollektive Gedächtnis der Andenbevölkerung ein.

Vierzig Jahre zuvor (1532) war das riesige Inka-Reich durch Francisco Pizarro und seine kleine Streitmacht von etwa 170 Männern eingenommen worden. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts erstreckte es sich mehr als 4.000 Kilometer entlang der Andenkette – vom heutigen Ecuador bis nach Chile und Argentinien. In der Mitte thronte die heilige Stadt Cuzco. Bis zur Ankunft der Spanier war dies der „Nabel der Welt“. Hier herrschte der „Sapa Inka“, der göttliche Sohn der Sonne. Über 10 Millionen Menschen waren ihm untertan und leisteten den Arbeitsdienst „Mita“, zur Unterstützung des Imperiums.

Francisco Pizarro, der uneheliche Sohn eines Infanteristen aus dem dunklen Trujillo in der ärmlichen Extremadura, hatte sich bereits mit gewalttätigen Eroberungen einen Namen gemacht. Nun wollte er das Goldland der Inka unterwerfen.

Pizarro traf auf ein Land, das sich im Bürgerkrieg befand. Der herrschende Inca Huayna Capac war an Pocken gestorben. Und im Streit um die Thronnachfolge, war ein Krieg zwischen seinen Söhnen Atahualpa und Huáscar ausgebrochen, den Atahualpa gewann.

Pizarro wusste diese Situation für sich zu nutzen. Er verbündete sich mit den Adligen, die mit der Herrschaft Atahualpas unzufrieden waren und lockte ihn in einen Hinterhalt.

Um das Leben des Inkas zu schonen, forderte Pizarro Lösegeld. Ein ganzer Raum wurde bis zur Decke mit Gold gefüllt und zwei weitere mit Silber. Trotzdem ließ er den Inka-König mit einem Würgeholz erdrosseln.

Damit fiel das gesamte Inkareich unter spanische Herrschaft.

Nach der Hinrichtung Atahualpas setzte Pizarro den „Marionetten-Inka“ Manco Inca Yupanqui ein, um das Volk zu beruhigen. Auch er war ein Sohn von Huayna Cápac und damit ein legitimer Prinz des Inkareichs. Anfangs spielte Manco Inca das Spiel mit. Doch drei Jahre nach der Ermordung seines Bruders, 1536, erkannte er die Manipulation Pizarros. Mit Zehntausenden Kriegern rannte er gegen Cusco an. Fast ein ganzes Jahr belagerte er die Hauptstadt des Inka-Reiches. Doch er konnte die Spanier nicht vertreiben.

Also zog er sich in die unzugängliche Andenkordilleren von Vilcabamba zurück und errichtete dort sein eigenes Reich. Von hier aus dirigierte er Guerillaangriffe gegen die Spanier.

Mit Zehntausenden Kriegern rannte er gegen Cusco an. Fast ein ganzes Jahr belagerte er die Hauptstadt des Inka-Reiches. Doch er konnte die Spanier nicht vertreiben.

Also zog er sich in die unzugängliche Andenkordilleren von Vilcabamba zurück und errichtete dort sein eigenes Reich. Von hier aus dirigierte er Guerillaangriffe gegen die Spanier.

Musik 7

"Toyos"

ERZÄHLER:

36 Jahre hielt sich der Widerstand in Vilcabamba. Und als Manco Capac von schutzsuchenden Spaniern in seiner Festung ermordet wurde, folgte ihm der letzte Inkaherrscher Tupac Amaru. Er intensivierte die Angriffe auf die Kolonisatoren und machte sich den Ruf eines geschickten Guerilleros.

MUSIK 8

"The Hunters" - Album: The Last of Us Original Score - Komponist: Gustavo Santaolalla - Länge: 0'29

ERZÄHLER:

Zwei Jahre später, im April 1572, erklärte die spanische Krone ihm offiziell den Krieg. Sie schickte eine Strafexpedition unter Martín García de Loyola in das Widerstandsnest. Zunächst schien es, als könne Tupac Amaru mit seinen 500 Inkakriegern die Spanier schlagen. Der Chronist Fray Martín de Murua schreibt in seiner "Historia General del Piru" (1613):

MUSIK 9

"Heaven #5 (Dost Thou Not Fear God)" - Album: The Phoenician Scheme (Original Score) - Komponist: Alexandre Desplat - Länge: 0'35

ZITATOR:

„Sie schlugen sich mit so großer Hartnäckigkeit und Martín García de Loyola, sah sich in höchster Todesgefahr, denn während er kämpfte, erschien ein Riese von einem Indianer, der ihn so umschlang, dass er sich nicht mehr rühren konnte, doch da kam ihm ein befreundeter Indianer zur Hilfe, Curillo, einer der Unseren, der ihm mit dem Säbel einen Stich in die Beine versetzte, so dass es ihn umwarf und einen weiteren in die Schulter, sodass der Riese tot niedersank und jener seinem Anführer Martín García de Loyola das Leben retten konnte.“

ERZÄHLER:

Während die Spanier die Inkaresidenz in Vilcabamba verwüsteten, flüchtete Túpac Amaru ins amazonische Tiefland. Doch in Begleitung seiner hochschwangeren Frau kam er nicht schnell genug voran. Er wurde gefasst und in goldenen Ketten nach Cuzco geführt.

Obgleich García de Loyola versprochen hatte, sein Leben zu schonen, wenn er sich ergäbe, wurde der letzte Inkaherrscher Túpac Amaru 1572 auf dem Hauptplatz von Cuzco hingerichtet.

Fray Martín de Murúa schildert, wie Túpac Amaru das Schafott erstieg:

MUSIK 10

"Procesion" - Album: The Motorcycle Diaries - Komponist: Gustavo Santaolalla - Länge: 0'51

ZITATOR:

“Da verstummten die Himmel und hallten wider mit ihren Schreien und ihrem Wehklagen; Während der auf dem Schafott stand, der Masse zu schweigen befahl; wozu der arme Túpac Amaru die Hände erhob und einmal klatschte, woraufhin alle Menschen verstummten und nicht eine einzige Stimme mehr zu hören war, was ein offensichtliches Indiz und Zeichen für den Gehorsam, die Furcht und den Respekt war, den die Indios vor ihren Herren und Herrschern hatten.“

ERZÄHLER:

In diese schaurige Stille hinein hielt Túpac eine Rede. Mehrere Geistliche flehten den Vizekönig an, Túpac zu verschonen und ihn in Spanien vor Gericht zu stellen … Doch Toledo blieb hart.

MUSIK  11

"Los golpes" Album: Pedro Páramo (Banda Sonora De La Serie De Netflix) - Komponist: Gustavo Santaolalla - Länge: 0'30

ZITATOR:

„Er legte sein Haupt auf den Block. Der Scharfrichter griff ihm ins Haar und mit einem einzigen Schlag trennte er den Kopf vom Rumpf und hielt ihn in die Höhe. Da läuteten alle Glocken der Stadt und großer Kummer und Leid kamen über alle Anwesenden.“

ERZÄHLER:

Es war das endgültige Ende des Inkareichs.

ERZÄHLERIN:

Doch wie konnte sich eine Hand voll Konquistadoren gegen zehntausende Indigene durchsetzen?

Der Widerstand der Inka gegen die spanische Eroberung von 1532 bis 1572 war zwar intensiv, aber so sehr Schießpulver, Eisen und Pferde den Spaniern auch halfen, so sehr Epidemien ihnen den Weg ebneten, so sehr Feindschaften zwischen Völkern wichtige Verbündete schufen, der Hauptverbündete der Kolonisatoren waren die indigenen Imperien selbst.

Die Inka, das am besten strukturierte Volk Amerikas, brach mit einem einzigen Schlag zusammen, als Pizarros Männer es enthaupteten.

Selbst kritische Stimmen, wie die des indigenen Chronisten Guamán Poma, waren davon überzeugt, dass die Macht den Aristokraten gebührt – ob Inkas oder Spanier. Er beklagte, dass in den Kolonien Menschen mit niedrigem Status an der Macht waren. Gegen den Imperator selbst hatte er nichts einzuwenden.

Ganz anders war das bei den unabhängigen indigenen Gruppen. Sie leisteten entschlosseneren Widerstand.

ERZÄHLER:

Zum Beispiel die Chiriguanos: ein kriegerisches Volk, das in den östlichen Andenregionen des heutigen Bolivien, Argentinien und Paraguay lebte.

Im Handumdrehen hatten sie sich in ein wildes Reitervolk verwandelt, schmiedeten Eisenwaffen und überfielen spanische Siedlungen. Allerdings taten sie das auch mit ihren friedlichen Nachbarn, mit den Chanés, die sie zu verspeisen pflegten.

Das Fleisch der Spanier hingegen verschmähten sie. Es war ihrer Meinung nach „ungesund“. Später verkauften sie ihre Gefangenen als Sklaven an die Spanier und wurden so Teil des kolonialen Kreislaufs.

Erst im 19. Jahrhundert wurden sie von der bolivianischen Armee geschlagen. Sie verloren ihre politische Autonomie, die sie bis dahin eisern verteidigt hatten.

Musik 12

"Inca Gold" aus: "Ethnic" 

ERZÄHLER:

Nachdem Franzisco Pizarro 1542 das Vizekönigreich „Piru“ installiert hatte, das fast ganz Südamerika und Teile Nordamerikas umfasste, wies die spanische Krone den Eroberern riesige Ländereien zu. Alle darauf lebenden Indigenen gehörten automatisch dazu. Peru wurde das wirtschaftliche Zentrum der spanischen Kolonien in Südamerika. Es beutete die Silberminen von Potosí im heutigen Bolivien aus. Die Indigenen wurden zu unbezahltem Dienst gezwungen und in den Minen zu Tode geschunden.

Immer wieder kam es zu lokalen Aufständen. Einer, der sich gegen das koloniale System auflehnte, war José Gabriel Condorcanqui.

Condorcanqui war ein wohlhabender Mestize mit inkaischem Blut. Seine Großmutter war Tupac Amarus Tochter gewesen. Und nach diesem letzten Inka-Herrscher, Tupac Amaru, sollte er sich nennen. Condorcanqui war in einem Franziskaner-Kolleg ausgebildet und versuchte zunächst mit juristischen Mitteln gegen die hohen Steuern und die Zwangsarbeit vorzugehen. Doch alle seine Eingaben in Cuzco und am Hof in Lima scheiterten.

Hinzu kam, dass in Tupacs Heimatbezirk ein ungeschlachter, arroganter und geiziger Mann die Steuern eintrieb: Antonio de Arriaga. Er mißhandelte die Indigenen und Tupac hatte ihn wegen Autoritätsmissbrauch und Veruntreuung von Steuergeldern verklagt – doch, wie immer – ohne Erfolg.

Am 16.November 1780 proklamierte Tupac Amaru II seinen berühmten „Freiheitserlass“, in dem er die Abschaffung der Sklaverei und der Zwangsarbeit forderte. Zwei Tage darauf ließ er den spanischen Steuereintreiber Antonio de Arriaga verhaften und öffentlich hinrichten.

Sofort hatte er eine große Gefolgschaft aus Indigenen, afrikanisch-stämmigen Sklaven und Mestizen hinter sich. Doch am 6. April 1781 setzten die spanischen Truppen Túpac und seine Verbündeten fest. Und als ob der Name mit dem Schicksal untrennbar verbunden war, sollte 200 Jahre später auch Túpac Amaru II., auf dem Platz der Tränen von Cuzco, öffentlich hingerichtet werden.

ERZÄHLERIN:

Doch die Ideen von Túpac Amaru II waren unsterblich. Sie gehörten weltweit zu den fortschrittlichsten. Er war der Erste, der die Abschaffung der Sklaverei forderte. Noch bevor sich die Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívar und San Martín oder Abraham Lincoln dafür einsetzten. Bis sie tatsächlich abgeschafft wurde, sollten noch 157 Jahre vergehen.

Hatte Tupac Amaru I gegen die Kolonisatoren gekämpft, so wollte sein Wiedergänger die spanische Krone nicht stürzen. Er hatte nur versucht, die gröbsten Ungerechtigkeiten im Vizekönigtum zu beseitigen.

Musik 13

"Altura novada y sol" 

ERZÄHLERIN:

Als das spanische und portugiesische Kolonialreich im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts durch unabhängige Nationalstaaten abgelöst wurde, veränderte sich für die Indigenen wenig. Obgleich viele die Idee der Unabhängigkeit unterstützt hatten und dafür sogar in den Krieg gezogen waren, sollte es ihnen in den neu geschaffenen Nationen der Mestizen um keinen Deut besser gehen.

Meist übernahmen die neuen Republiken die diskriminierenden Strukturen der Kolonialzeit. Sie ignorierten indigene Landrechte und ließen rassistische Gesetze und Zwangsarbeit größtenteils bestehen. Der Widerstand ging weiter.

Vor allem brachte die Kolonisierung Südamerikas das kapitalistische System mit sich. Die Wurzeln, die damals eingepflanzt wurden, sind nach Ailton Krenak noch heute für die Zerstörung des Regenwaldes verantwortlich.

ERZÄHLER:

Krenak gilt als Vordenker der modernen indigenen Widerstandsbewegung. Bekannt wurde er 1987 durch seinen Auftritt vor der verfassungsgebenden Versammlung Brasiliens.

In seinem blütenweißen Anzug mit Krawatte hielt der junge Krenak eine eindringliche Rede, in der er die Situation der Indigenen anklagte: Sie hatten keine Bürgerrechte, waren ständig Gewalt ausgesetzt. Sie wurden durch wirtschaftliche Großprojekte von ihren Territorien vertrieben und absichtlich mit Pocken oder Tuberkulose infiziert.

Sein Auftritt trug dazu bei, dass die indigenen Rechte vor knapp 40 Jahren in der brasilianischen Verfassung verankert wurden.

Heute kritisiert Krenak den Konsum der westlichen Welt, die den Wald zerstört.

O-TON Ailton Krenak1:

OV ZITATOR

Die Tentakel des Kolonialismus, die in Amazonien eingepflanzt wurden, müssen blockiert werden. Europa muss aufhören, Fleisch, Soja, Mineralien und Holz aus dem Amazonasgebiet zu konsumieren!

ERZÄHLER:

Die Kolonisatoren brachten das kapitalistische System mit, das heute den Regenwald zerstört.

O-TON Ailton Krenak2:

OV ZITATOR

Die Leute, die den Amazonas konsumieren, müssen aufhören die Welt zu verschlingen! Ändert Eure Gewohnheiten. Macht eine Diät für 10 Jahre. Und während dieser 10 Jahre erforschen und studieren wir das Amazonas-Ökosystem!

ERZÄHLER:

In die gleiche Kerbe schlägt der Yanomami-Schamane Davi Kopenawa. Er wurde mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet und versucht seit über 20 Jahren die Weißen dazu zu bringen, den Regenwald zu schützen.

Die Weißen bezeichnet er als „Volk der Waren“. Er ist nach Barcelona gekommen, um vor dem Klimakollaps zu warnen und hält eine gewaltige Standpauke.

O-Ton Davi Kopenawa

OV-ZITATOR

„Eure Art zu denken ist wie die eurer Vorfahren! Ihr habt die Schrift erfunden, um intelligent zu werden und danach habt ihr die Gesetze erfunden…, diese ganze Politik. Dann habt ihr eure Augen auf die Waren gerichtet und euch mit euren Gesetzen unser Land angeeignet. Nicht um davon zu leben, sondern um es in eine Ware zu verwandeln. Eure Vorfahren haben sich in das Geld verliebt. Und dann habt ihr angefangen, alles zu zerstören…“

ERZÄHLER:

Eine Satellitenstudie von Greenpeace Brasilien zeigt: Allein im Jahr 2024 wurde eine Fläche von 584 Fußballfeldern in den Schutzgebieten der Kayapó, Mundurukú und Yanomami zerstört – um Gold zu fördern. Das dazu verwendete Quecksilber kontaminiert die Flüsse und den Wald, die Malariafälle explodieren – ebenso die Kindersterblichkeit. Außerdem haben sich gefährliche Drogenmafias ins Goldgeschäft gemischt.

ERZÄHLERIN:

Obwohl die indigenen Rechte in der Verfassung verankert sind, müssen sie auch heute noch schwer erkämpft werden. Mit der wechselnden politischen Situation verändern sich auch die Formen des Widerstandes. Ailton Krenak und Davi Kopenawa gehören zu den großen, international bekannten Figuren des indigenen Widerstands. Worte sind ihre Waffen.

Doch ist es die Basis der vielen unterschiedlichen Kulturen, die ihren Worten Nachdruck verleiht.

MUSIK 14

"Toyos" 

ERZÄHLER:

Seit 2004 versammeln sich jährlich tausende brasilianischer Indigene in Brasilia. Sie verwandeln die zentrale Esplanade der Ministerien für mehrere Tage in ein Acampamento Terra Livre – ein „Camp für Land und Freiheit“. Sie tanzen, lachen, reden, protestieren und campen für ein paar Tage im Zentrum der Macht von Brasilia. Geschmückt mit üppigen Federdiademen und kunstvoll bemalt setzen sie sich medienwirksam in Szene. Das Camp dient ihnen aber auch zur Vernetzung. Und jedes Jahr übergeben sie ihre Forderungen an die Regierung.

Es ist die größte indigene Mobilisierung weltweit. 2024 waren etwa 200 verschiedene Ethnien mit über 9.000 Menschen dort, um gegen die indigenen-feindliche Politik und den Landraub zu demonstrieren.

Während der Regierung Bolsonaros traten vor allem die Frauen in den Kampf ein, wie immer, wenn es brenzlig wird. Eine der Aktivistinnen ist Watatakalu Yawalapiti. Mit ihrer Bemalung und dem Federschmuck will sie zeigen: Wir waren schon lange vor Euch hier! Es ist unser Land!

O-Ton Watatakalu

OV ZITATORIN

„Wir Frauen wollen für die Gebiete kämpfen. Wir kämpfen für die Gebiete, gemeinsam mit unseren Männern, nicht vor ihnen oder, um sie hinter uns zu lassen, denn wir kämpfen für das kollektive Wohl. (…) Wir wollen Verbesserungen für unser Volk erreichen. Wir wollen unsere Kultur und unseren Wald erhalten.“

MUSIK

Toyos 

ERZÄHLERIN:

Die Frauen haben der indigenen Bewegung neuen Schwung gegeben.

MUSIK 15

Indigener Widerstand hat viele Gesichter. Er ist vielschichtig, vielfältig und dynamisch. Gleichzeitig haben sich viele Indigene an westliche Gewohnheiten angepasst. Das Bild vom „authentischen Ureinwohner“ ist falsch und irreführend. Denn keine Kultur überlebt ohne Anpassung, auch wenn es indigene Gruppen in „freiwilliger Isolierung“ gibt.

„Wir sind nicht die Vergangenheit. Wir sind die Gegenwart.“ – so lautet eine ihrer Parolen. Der indigene Widerstand hat sich über die Jahrhunderte verändert, er passt sich den Situationen an und seine Kraft ist ungebrochen.

Senaste avsnitt

Podcastbild

00:00 -00:00
00:00 -00:00